Das Schützenfest über Pfingsten

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Gestatten, mein Name tut nichts zur Sache. Ich bin einer von über 300 Mitgliedern des Junggesellenschützenvereins. Bis auf meinem Kopf sehen alle Mitglieder Pfingsten genauso aus wie ich. Deshalb und ohne voreilig ein Bild von einem anständigen jungen Wettringer Burschen in voller Montur in Deinem Kopf zu produzieren, stülpte ich mir eine Tragetasche über. So, so. Ich habe nun die schwere Aufgabe den Nichtmitgliedern und allen Interessierten die Komplexität der Pfingstfeiertage aus Sicht des JSV zu erklären.

Zunächst einmal ist es die Aufgabe des Jungschützen sich eine passende Schützenbraut zu suchen. Dieses sollte schon im Februar beginnen, da die Schönsten in der Regel schnell vergeben sind. Dann geht es ans berühmt-berüchtigte Einladen, wobei ich die Eltern meiner Schützenfestmaus auf Plattdeutsch bitten muß, mir ihre Tochter "up Pingsten" 2 Tage auszuleihen.

Acht Tage vor Pfingsten ist dann das Reinigen der Vogelstange mit grasmähen und silieren angesagt. Danach findet der Prövedag statt, wobei der Zweig, vom Jüngsten Anwesenden getragen, zur Vogelstange gebracht wird. Unterwegs werden die Gelagswirte angelaufen, wo es noch Schnaps, Roten und nur für die Offiziere Bier gibt.

Im Laufe der folgenden Woche werden die Fähnchen über die Hauptverkehrsadern Wettringens gespannt. Da kommen einige Kilometer zusammen.

Freitags holen die Offiziere Grüngehölz um damit das Zelt auszustaffieren.

Die Frauleute haben Samstag dann zum erstenmal die Gelegenheit dick zu werden. Rosenmachen. Gerüchten zu Folge gießen die Damenoffiziere den Mädels pro gebundener Rose einen Roten ein, so daß nach 2000 Rosen nicht mehr viel geht.

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Der Sonntag steht ganz im Mittelpunkt der körperlichen Regeneration und des Kräftetankens für das was folgen wird. Abends geht es noch kurz, für manche auch länger, zum öffentlichen Tanz auf dem Festzelt bevor man Pfingstmontag pünktlich um 8 Uhr in der Kirche zum Festgottesdienst zu erscheinen hat.

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Dies ist besonders für die Fähnriche eine besondere Herausforderung, kam es doch in der Vergangenheit des öfteren zu "Altartänzen". Nach der Messe schreitet man zum Gedenken aller Kriegsopfer zur Kranzniederlegung am Mahnmal.

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Hierauf marschiert man mit musikalischer Unterstützung diverser Spielmannszüge zum Festzelt, um die ersten Vasen Bier zu schlucken und um gleich darauf zum Ausholen der Offiziere und Majestäten zu starten.

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Durchschnittlich 8 km und einige Promille später, so gegen 15 Uhr, erreicht der nun schon stark angeschlagene Troß die schön aufgeräumte und hergerichtete Königsschießanlage am Sellener Weg.

Anders als bei anderen Schützenvereinen gibt es beim JSV in jedem Jahr zahlreiche Bewerber um die Königswürde. So um die 50 Männer kloppen sich bis zum Schluß um den Goldenen Schuß. Ein Grund hierfür ist die Tatsachen, daß jedes Mitglied, welches einmal König war, automatisch zum Ehrenmitglied des JSV wird, und somit in jedem Jahr zum geschlossenen Königsball von den Fourieren eingeladen wird. Ist der Vogel gefallen, zieht die Horde zur Proklamation zum Brandenburger Tor an der Metelener Straße. Hurtig löst sich danach der Zug auf, gilt es doch nun sich frisch zu machen für die um 20.00 Uhr angesetzte Polonaise. Leichte Ausfallerscheinungen müssen durch den Einwurf von koffeinstarken Präparaten kaschiert werden. Die von Mama hoffentlich gebügelte Ersatzgarnitur wird übergeworfen und los geht’s. Wer will sich schon vor Tausenden an den Straßenrändern stehenden Schaulustigen blamieren ?

Der folgende öffentliche Tanz endet gegen Mitternacht mit dem nach Haus geleiten des neuen Königspaares. Man marschiert samt Zeltkapelle durch die dunklen Straßen zum hoffentlich im näheren Umkreis liegenden Grundstück des neuen Königs. Hier steigt noch einmal bis in die Morgenstunden eine ausgelassene Party.

Dienstag morgen, am 2. Tag des Schützenfestes trifft man sich um 9.30 Uhr auf dem Zelt. Jetzt zeigt sich, wer einen starken Willen hat.

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Es geht wiederum zum König. Dort werden Wachmachschnäpse und die ersten Rolinck-Gallonen verspeist.

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Die Frauen treffen sich derweil bei Lütke-Wenning zu ihrem Frühschoppen, tatkräftig von den Damenoffizieren unterstützt.

Die Junggesellen zieht es zu ihrem eigenen Frühschoppen aufs Zelt, wo Freibier und das "hohe Gericht" locken. Letzteres beschäftigt sich mit groben Verstößen einzelner gegen die Vereinsordnung. Die Schöffen handeln vollkommen autonom und willkürlich. So manche verteilte Schlauchlänge muß reingequält werden.

Gegen 18.30 Uhr sollte der Schütze soweit wieder fit sein, daß er beim Abendessen im familiären Kreis der Braut einen guten Eindruck bei den Eltern hinterläßt.

Gegen 20 Uhr findet auf Grund der großen Resonanz in der Bevölkerung eine Zugabe der Polonäse statt. Der sich anschließende geschlossene Königsball endet für gewöhnlich am anderen Morgen um 10 Uhr, nachdem man die letzten 5 Stunden im Wettringer Brauhaus verbracht hat.

Gegen 15 Uhr am 3. Tag trifft man sich erneut, aber nicht in voller Montur, sondern im Straßenroll- oder leichten Bieranzug um das Schützenfest langsam ausklingen zu lassen. Hierzu werden auf dem Putenhof Bischoff an der Steinfurter Straße die letzten überschüssigen Kräfte unter Alkoholeinwirkung in kontraproduktive Aktionen umgewandelt.

Donnerstag morgen findet noch das Klotzkönigschießen im Brauhaus statt. Mittels Leichtgewehr wird ein Runkelkönig, ein König für Arme, ermittelt. In der Regel finden sich hierzu keine 50 Männer mehr ein. Wer den Hals noch nicht voll hat, wird es am Freitag beim traditionellen Cognaktrinken beim neuen König auf jeden Fall bekommen. So, ich glaube das dies als kurze Erläuterung reicht, warum für Wettringens Jugend Pfingsten der höchste weltliche Feiertag ist...